Tarifa gilt als die Windhauptstadt Europas – mit allen Vor- und Nachteilen. Ohne Ohrenschützer geht hier gar nichts. Auf der schon etwas „schwungvollen“ Überfahrt waren wir mit einem älteren britischen Ehepaar ins Gespräch gekommen, das in Gibraltar lebt und gerne mal „kurz“ rüber nach Afrika fährt. Er war bei der Royal Navy gewesen und allein schon deshalb wirkte sein Gesichtsausdruck sehr beruhigend auf meinen Magen. Kaum am Pier angekommen wunderte ich mich allerdings über den kleinen haarigen Mops, dem die Frau plötzlich hinterherlief, weil er nicht mal angeleint war. So dachte ich jedenfalls – für einen Moment. Nur als ihr Mann dann völlig cool sagte „das passiert ihr ständig“ und sich kein bisschen in Bewegung setzte, merkte ich, dass ihr offensichtlich ihre Perücke vom Kopf geweht worden war… :-)) In solchen Momenten hätte ich gerne ne Kamera in der Brille!
Westlich der Stadt dehnt sich ein riesig langer Strand aus, an dem quasi das ganze Jahr über Surfer mit den Elementen und auch mit ihrem Leben spielen. Aber ich als Schisser kann deren Vergnügen einfach nicht ermessen, ich bin auf unserem langen Spaziergang nur schwer beeindruckt von den Luftsprüngen, die die Kitesurfer machen und deren rasantem Tempo. Wie das alles hier beim Andrang in der Hauptsaison funktionieren kann, ist mir ein Rätsel. Es sieht lebensgefährlich aus.

Es ist so faszinierend, dass es dabei dunkel wurde, aber die Besessenen kennen ja keine Zeit.

Wir Fußgänger kommen immerhin auf 23000 Schritte heute – jetzt freu ich mich aber auch sehr aufs Abendessen.
Tapas müssen es heute sein und die Auswahl in der Stadt ist riesig. Die Spanier gehen dafür gerne von Lokal zu Lokal und essen überall ein bisschen. Mal sehen, wie wir´s machen werden…die Qual der Wahl bleibt ja auch dann, es hilft alles nichts.
Doch egal, welche Strategie wir uns überlegen – unsre Beine wollen nicht mehr weit gehen und so bleiben wir gleich in der Nähe unsres Appartments, erst in La Romanera und für nen „Nachtisch“ dann noch in der Bar El Frances.


Wir wissen nicht immer, was wir da gerade bestellen, aber alles erweist sich als köstlich:





Dazu ein paar Gläser Rioja…. und zuletzt interessante Gespräche am Nachbartisch, denen wir uns schwerlich entziehen können: offensichtlich eine Gruppe ausländischer Studenten (Helfer?), die sich für lokale Ereignisse im Zusammenhang mit Flüchtlingen interessieren und gerade eine Einführung von einem älteren Spanier bekommen. Das wirkt zusammen mit dem guten Essen schon etwas skurril, denn die Geschichten sind teilweise gruselig. Mich berührt dabei, wie der Mann trotz der Nummern und Zahlen von Menschen spricht, die Träume haben und er für sie Verständnis. 2018 waren an einem einzigen Tag mal 700 junge Männer mit Schlauchboten aus Marokko in Tarifa angekommen, 1100 waren aufgebrochen, an anderen Tagen sind es auch schon 500, die ja alle erst mal irgendwie untergebracht und versorgt werden müssen. Die Rettungsregelungen wurden mittlerweile so erschwert, dass es länger dauert, Gekenterte zu erreichen und damit deren Chance sinkt zu überleben, sodass schon auch mal Tote an den Strand gespült werden. Das soll abschreckend wirken. „Die meisten von ihnen würden glücklicher, wenn sie zu Hause blieben.“ Die Statistiken der Einwanderungsbehörde würden belegen: fast alle der neuen Migranten kommen aus der Mittelschicht, sie träumen von Wohlstand, manche von Karrieren als Musiker oder Fußballer. „Fast alle erleben in Europa einen krassen sozialen Abstieg, sie werden unglücklich, sie sind in der Sackgasse“ sagen Helfer, die täglich die ankommenden Überlebenden versorgen. Traum und Albtraum.
Mir fällt dazu „Osmose“ ein…Die Kombination aus Kolonialismus und jahrhundertelanger Afrikaausbeutung einerseits und digital-vernetzter Welt andererseits kann doch gar nichts anderes hervorbringen als dass Ausgleichsbewegungen stattfinden…Wir vergessen ja zu leicht, dass unser Wohlstand nicht nur auf die gerne zitierte Leistung zurückgeht, sondern eben in erheblichem Ausmaß auf Ausbeutung von für uns namenlose „Ausländer“ rund um den Globus. Das rächt sich nun.